Klaus Mann an Hermann Kesten
Sanary-sur-Mer, 15. Mai 1933

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Original: Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek. München, mit freundlicher Genehmigung von Frido Mann.

Hotel de la Tour
Sanary s. m. (VAR)

den 15. 5. 33.

Lieber Hermann Ketsen –

wie geht es Ihnen, was machen die Deux Magots, ist es in Paris auch so lächerlich windig wie hier? – Ich schreibe Ihnen aber gar nicht, um das zu erfahren; vielmehr:
Es hat sich mir eine Möglichkeit geboten, in Zürich eine Zeitschrift mit herauszugeben, und zwar zusammen mit der Annemarie Schwarzenbach, die Sie vielleicht kennen. Wir wollen sie recht schön und fein machen, ganz literarisch, und oppositionell nur auf eine würdige Weise. Sie soll auch "Die Sammlung" heissen und mit französischen Beiträgen erscheinen. Joseph Roth hat uns auch schon was versprochen. Es ist ja ganz selbstverständlich, dass wir von Ihnen unbedingt gleich was haben wollen – zuerst am liebsten eine kleine Erzählung, es dürfte aber auch ein Aufsatz sein. Wir können nicht fürstlich zahlen, aber doch ein wenig. Der Beitrag müsste in der zweiten Junihälfte allmählich in unsere Hände kommen. Aber vorher schreiben Sie mir doch bitte gleich, ob Sie uns etwas machen mögen – es läge uns viel daran! –, und schützen Sie nicht Nervosität und Arbeitsunlust vor! Es gibt so schrecklich wenig junge Autoren, die für uns in Frage kommen – und die, so es gibt, dürfen uns nun nicht sitzen lassen. Schreiben Sie mir also bitte gleich, dass Sie mitmachen und sich sogar freuen. Uebrigens komme ich in zwei bis drei Wochen noch einmal durch Paris.

Sonst – alles Herzliche
Ihres Klaus
Mann