Stefan Zweig an Hermann Kesten
Salzburg, 16. Juni 1933

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Original: Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek. München.

am 16. Juni 1933

Lieber Herr Kesten!

Gern sende ich Ihnen in den nächsten Tagen nein, schon heute (sie muss nur abgeschrieben werden) die in der Neuen Rundschau, aber noch nicht in Buchform erschiene Novelle, die mir speziell für dieses Buch zu passen scheint. Ich bin sehr glücklich, dass Sie sich mit Allert de Lange verständigt haben, wenn nur der Verlag sich genug gross auftut und nicht eine Zersplitterung mit den verschiedenen anderen Plänen, Grasset, Gallimard usw, usw, eintritt, denn wir müssen in möglichster Geschlossenheit auftreten um repräsentativ zu wirken. Meinen Sie nicht, dass ich übermässig bedrückt wäre durch die Ereignisse, man schaltet sich innerlich um und denkt, dass man mit Gott keinen Vertrag geschlossen hat, seine Bücher immer in 50.000 Exemplaren deutsch zu verkaufen, sondern dass man als junger Mensch schon ein Zehnteil dieser Zahl als etwas unwahrscheinlich Beglückendes angesehen hätte, wäre es nur nicht persönlich unmöglich, ständig inmitten so unedler Gefühle von Hass und Feigheit zu leben. Vielleicht werde ich mich diesem Zustand auch schliesslich entziehen. Wichtig ist nur, sich nicht verbittern zu lassen und seine Nervenkraft zu sparen, hoffentlich ist dies Ihnen gleichfalls gelungen.

Ich erinnere mich deutlich an den Blick aus Ihrem Fenster in jener Zeit, da ich den vortrefflichen Breitbach dort besuchte. So haben Sie wenigstens ein künstlerisches Heim gefunden in dieser Zeit, wo man uns heimatlos machen will, und die andere Heimat, die Arbeit, können Sie ja überall einpflanzen. Sollten Sie Joseph Roth sehen, so nehmen Sie ihm sein Armagnac-Glas weg zur Strafe, dass er mir schon den zweiten Brief nicht beantwortet hat.

Herzlichst Ihr
Stefan Zweig